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Professor Mag. Karlheinz Pilcz


Er sammelt Sagen, Märchen, Schwänke und Geschichten aus Mödling und Umgebung.
Im Jahre 1983 gab er fünf Bändchen von ihm literarisch bearbeitete, kommentierte und mit eigenen Bildern illustrierte Mödlinger Sagen heraus.
Danke Herr Professor, dass ich aus aus diesen Bändchen zitieren darf und mich auch der wunderschönen Bilder bedienen darf.
Eine Auswahl von Sagen und Schwänken möchte ich allen Interessierten hiermit näher bringen.

Das Copyright der Bilder liegt ausschließlich bei Professor Mag. Karlheinz Pilcz.


 

Das Märchen vom Klapperstorch

Nach Gustav Calliano
Eine angeblich sehr alte Mödlinger Schwanksage




 


In Mödling hatte einst ein ganz junges und zudem noch unverheiratetes Mädchen ein Kind geboren. Als man es darüber ausfragte, wie es denn um alles in der Welt nur dazu gekommen sei, behauptete das Mädchen einfach, es habe das Kind vom Klapperstorch erhalten, was natürlich keine Menschenseele ernst nehmen konnte.
Weiter ins Gebet genommen, beteuerte es trotzdem wieder und wieder, dass es sich so und nicht anders zugetragen habe. Und weil das Mädchen hartnäckig bei seiner Aussage blieb, gab es schließlich viel Gespött, Schimpf und Schande. Jetzt aber verklagte die so Geschmähte alle diejenigen bei Gericht, die ihr nicht glauben wollten und sie einer frechen Lüge bezichtigten.

Der Ortsrichter freilich galt als ein jederzeit zu Späßen aufgelegter Mann,
und dementsprechend fiel sein Urteil in diesem merkwürdigen Rechtsstreit aus.
Er entschied nämlich völlig überraschend, dass man den Angaben des Mädchens durchaus Glauben zu schenken habe. Da alle zu Gericht geladenen Zeugen, die von dem Mädchen namhaft gemacht worden waren, die Vettern, Basen und Tanten,
die Nachbarsleute, ja sogar der eigene Vater und die Mutter zugestehen mussten,
dass sie stets gesagt hatten, die neugeborenen Kinder bringe der Storch, sei somit
diese törichte Storchengeschichte durch Zeugenschaft eindeutig belegt, habe folglich
als gerichtlich  erwiesen zu gelten und könne daher gar nicht unwahr sein.

 
Der süße und der saure Wein
Nach einer mündlichen Überlieferung

In Mödling ist der Weinbau viel älter noch als der Ort selbst, vor ewigen Zeiten schon säumten Weingärten die Hänge vom Wartberg, vom Anninger und vom Liechtenstein . . .

Einmal ließ der Herrgott den Wein hier in Mödling besonders gut werden, und er schickte den heiligen Petrus hinunter auf die Erde,
um zu erfahren, was die Leute dazu sagten.
Die Leute sagten: "Teufel, ist der Wein gut!"
Das ärgerte den Herrgott, und er ließ das Jahr darauf den Wein besonders sauer werden.
Und er schickte wiederum den heiligen Petrus auf die Erde. Diesmal sagten die Leute: "Herrgott, ist der Wein sauer!"
Da war auch der Herrgott stocksauer.

 
Die goldene Stiege in Mödling
Nach Robert Eder

 
Von Mödling aus führt ein steiler und steiniger Weg durch den Graben zwischen Jennyberg und dem Frauenstein hindurch, dann hinein
in den Anningerforst und schließlich hinauf zur Ruine der alten Burg, in der einstens die aus dem Geschlecht der Babenberger stammenden Herzöge von Mödling residierten. Dieser Weg wird seit undenklichen Zeiten Goldene Stiege genannt.


Nach einer diesen Sagen verlor einst die Kaiserin Maria Theresia, der das schöne Mödling von allen Städten und Dörfern ihres großen Reiches besonders ans Herz gewachsen war und die deshalb den Ort auch häufig besuchte und oftmals hier wohnte, auf einem Spaziergang von Mödling über den Frauenstein zu den Trümmern der ehemaligen Babenbergerburg einen ihrer wertvollen goldenen Schuhe auf dem allzu jäh ansteigenden Weg, worauf dieser den Namen Goldene Stiege erhielt.

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Nach einer anderen Geschichte war es nicht die Kaiserin Maria Theresia oder sonst eine hehre Monarchin, sondern die germanische Himmelskönigin Freya, die Göttin der Freude, Schönheit und Liebe, die auf der Goldenen Stiege ihren goldenen Schuh verlor.
Dieses soll geschehen sein, als die Göttin, der in längst vergangenen Tagen der Frauenstein bei Mödling geweiht war und zu deren
Ehren sich dort ein großer Opferstein befand, einmal nach Beendigung eines üppigen Opferfestes, das heimlich und für alle Menschen unsichtbar teilgenommen hatte, mit ihren Göttermaiden Fulla und Sunna, die sie überallhin begleiteten, auf ihren weißen Rössern
wieder nach Walhall, der Heimstatt der Götter und der gefallenen Helden, zurückfliegen wollte und gerade das Tal zwischen dem Frauenstein und dem Jennyberg durcheilte. Bei diesem Ritt löste sich ein goldener Schuh vom Fuß der Göttin, fiel hinab auf den Weg
und soll hier noch lange gelegen sein.

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Eine weitere Sage berichtet, dass auf dem Frauenstein einst drei seltsame und geheimnisvolle Frauen wohnten, von denen die jüngste außergewöhnlich schöne Schuhe besaß, die aus purem Gold gemacht waren. Zum Haus der drei Frauen hoch oben auf dem Berg führte der Weg über eine goldene Stiege. Über diese goldene Stiege kamen eines Tages von weit her drei Wanderer. Diesen drei Wanderern gefielen die Frauen so sehr, dass ein jeder von ihnen eine davon heiraten wollte, und den drei Frauen war dieses recht.
Am Tag vor der Hochzeit bekam die jüngste der drei Frauen aber auf einmal unbändige Angst davor, dass sie von nun an einem Mann angehören und mit ihm ihr Bett teilen sollte, und sie floh von dem Berg hinunter in die Ebene, fort in ein fernes Land. Die junge Frau wurde seitdem nicht mehr gesehen, doch fand man später auf dem Weg, der in das Tal zwischen dem Frauenstein und dem Jennyberg führt, einen ihrer goldenen Schuhe, den sie hier scheinbar in der Eile auf ihrer Flucht verloren hatte.

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Wieder eine andere Sage erklärt den Namen der Goldenen Stiege damit, dass sich zur Zeit der Herzöge von Mödling, als dieser Weg
noch der einzige und daher vielbegangene und wohl auch befahrene Aufgang zur Mödlinger Burg war, hier und nur hier im gesamten Bereich des Marktes Mödling die Armen und Bettler zu bestimmten Zeiten aufstellen und um milde Gaben heischen durften und dass sie dabei oftmals von einer vornehmen, überaus gütigen und wohltätigen Rittersfrau, wenn diese von der Burg ins Tal herabschritt,
mit glänzenden Goldstücken beschenkt wurden.

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Es gibt außerdem noch eine Sage, welche vermerkt, dass einstens die ritterlichen Herrschaften der Burg Mödling bei besonders feierlichen Anlässen ihre geladenen Gäste stets an einer eigens dafür aufs prunkvollste geschmückten Stelle am Beginn des Aufstiegs zur Burg begrüßten und dass daher von dem Volk, das bei solchen Gelegenheiten allemal zusammenlief und das Ereignis begaffte,
der ganze steil ansteigende Burgweg als Goldene Siege bezeichnet wurde. Soweit die Geschichten aus dem Reich der Sagen und Märchen.

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Es gibt jedoch auch noch eine sehr einleuchtende Erklärung die schon die Urgroßväter der heutigen Mödlinger gekannt haben und die Auskunft darüber gibt, weshalb die Goldene Stiege einst diesen Namen erhielt. Früher führte der Weg nämlich zu einigen fruchtbaren
und sehr ertragreichen Weinrieden, die an den sonnigen Hängen des Jennyberges lagen und in denen ein selten guter Wein gedieh, weswegen sie die >Goldrieden< nannte. Noch vor gar nicht viel mehr als hundert Jahren schenkte man in Mödling einen Wein aus,
der >Goldtröpfler< hieß und der in diesen >Goldrieden< herangereift war und ein höchst vorzüglicher Tropfen gewesen sein soll.
Der Weg zu diesen >Goldrieden< aber, der aufgrund einer starken Steigung über unzählige Treppen ging, wurde darum von den Weinhauern >Goldsteigel< geheißen, woraus sich dann im Laufe der Zeit schließlich der endgültige Name der Goldenen Stiege ergab.

 


Der Schneider im Himmel
Mündliche Überlieferung


 

An einem und den denselben Tag starben in Mödling ein armes, armes Schneiderlein und sein Nachbar, ein reicher Wirt.
Das Schneiderlein, das stets fromm und gottgefällig gelebt hatte, machte sich auf den Weg und ging nach dem Himmel. Dort klopfte er bescheiden an das große Tor.
Der heilige Petrus kam mit seinem Schlüssel, sperrte auf und fragte das Schneiderlein, was es hier wolle. "Bitten tät' ich", antwortete das Schneiderlein, "dass ich in den
Himmel dürft'!" — "Freilich darfst du herein", entgegnete der himmlische Pförtner,
"du musst jedoch noch ein wenig warten, es wird nämlich gerade dein Nachbar,
der reiche Wirt, bei uns aufgenommen", und er schloss das Tor wieder ab.
Das Schneiderlein setzte sich einstweilen auf eine Wolkenbank und wartete. Da hörte es aus dem Himmel heraus, wie man drinnen den reichen Wirt gar feierlich aufnahm,
Glocken wurden geläutet, Posaunen und Trompeten erschallten, eine Musikkapelle
spielte auf, und die Engel sangen. Das freut mich aber sehr, dachte sich das Schneiderlein, dass sie einem im Himmel so schön empfangen.

Als es endlich wieder still geworden war im Himmel, kam der heilige Petrus, öffnete das Himmelstor und ließ nun das Schneiderlein ein. Dieses meinte, jetzt werde ebenfalls gesungen und musiziert, weil er käme. Doch alles blieb still. Nicht eine einzige Glocke wurde geläutet, nicht eine einzige Posaune erschallte, keine Musikkapelle spielte.
Man nahm zwar das Schneiderlein mit aller Liebe auf, die Engel eilten ihn entgegen, nur Gesang war keiner zu hören. "Ja was ist den das?" fragte das Schneiderlein den heiligen Petrus, "ich hab' immer geglaubt, im Himmel sind alle gleich! Warum werd' ich dann nicht so feierlich empfangen wie vorhin mein reicher Nachbar? Geht's hier im Himmel genauso ungerecht zu wie unten auf der Erde, und zählt sogar hier heroben das Geld?"

Da sprach der heilige Petrus: "Ganz gewiss nicht, mein liebes Schneiderlein. Selbstverständlich bist du uns willkommen wie jeder andere und du kannst alle himmlischen Freuden genießen wie dein reicher Nachbar. Aber wo kämen wir denn hin, wenn wir einen jeden so empfangen wollten! Schau, arme Leut' wie du kommen alle Tag' ein paar Dutzend zu uns in den Himmel, doch von den Reichen nur alle hundert Jahr' höchstens einmal einer. Und den müssen wir dann schon recht feierlich empfangen und bei seinem Einzug aufspielen, was das Zeug hält.
Außerdem, einen reichen Wirt und noch dazu einen aus Mödling haben wir heute zum ersten Mal bei uns heroben gesehen, und es werden sicher viele, viele tausend Jahre vergehen, bis wieder so einer zu uns heraufkommt, — wenn überhaupt noch einer kommt."

 


Ein Bäuerlein und der Mohr


 


Es hat einmal in Mödling einen Wirt gegeben, der war einer von denen, die der Hafer ständig im Blut juckt, und von dessen Streichen es viel zu erzählen gäbe. Die lustigste Geschichte ist und bleibt aber die, wie er einmal einen rechten Dummkopf von einem Bauern drangekriegt und zum Narren gehabt hat.
Denn da stieg eines schönen Abends solch ein Bäuerlein bei ihm ab und bat um ein Nachtmahl und eine Unterkunft. Seine Mundart deutete auf eine ferne Herkunft,
so nach dem Süden oder Osten hin. Der Wirt hieß das Bäuerlein willkommen wie einen großen Herrn, trug ihm sogleich allerlei auf, Gebratenes und sonst noch viel Gutes, und stellte ihm dazu Wein auf den Tisch, und nicht den schlechtesten. Was jedoch das Nachtlager betraf, da erklärte ihm der Wirt klipp und klar, er könne ihn bei bestem Willen nicht mehr unterbringen, alle Betten seien nämlich schon belegt. Der Bauer  gab nicht nach und versicherte treuherzig, ihm würde sogar ein einfacher Stuhl genügen; denn jetzt noch — mitten in der Nacht — ein anderes Quartier zu finden, sei ja schier unmöglich; außerdem beteuerte der Gute, er müsse ohnedies schon sehr früh aufstehen, um seine Reise fortzusetzen.

Wie ihn der Wirt so vor sitzen sah, ganz ratlos und desperat, konnt er sich's nicht verkneifen, ihn weiter zu foppen: Mit der ernstesten Miene der Welt schlug er ihm vor, das Bett mit einem Mohren zu teilen, der schon seit zwei Tagen im Hause wohnte und jetzt in dieser Stunde sicher in tiefem Schlaf liege, so dass er es überhaupt nicht
merken würde, wenn er einen Bettgenossen bekäme.
Natürlich zögerte der Bauer vorerst; als ihm allerdings der Wirt versicherte, der Mohr schlafe gewöhnlich bis hinein in den Mittag, wäre auch sonst recht gutmütig und würde ihn bestimmt nicht gleich fressen, da willigte er schließlich ein. Zudem versprach der Wirt, ihn gleich bei Tagesanbruch zu wecken.
Als aber der Bauer eingeschlafen war, schmierte ihm der Wirt das Gesicht über und über mit Russ an.
Am Morgen weckte er ihn dann zur vereinbarten Stunde. Schnell stand das Bäuerlein auf, zog sich an und sah in den Spiegel. Wie groß war seine Verblüffung, als dort ein Gesicht herausblickte, wie man es sich schwärzer nicht denken kann.
Und was tat er?
"Jetzt weiß ich, was los ist", sagte er nach kurzer Überlegung, " der dumme Wirt hat sich geirrt, statt mich zu wecken, hat er den Mohren aufgeweckt. Ich lege mich wieder schlafen." Und der Einfaltspinsel zog sich wirklich wieder aus, legte sich ins Bett und schlief wieder ein.

 


Ein dunkler Spruch
Nach Gustav Calliano


 


Vor vielen, vielen Jahren, als Mödling noch klein war und eng, wohnte auf dem Frauenstein ein Bergmanderl. Still und einsam lebte es hier irgendwo in den tiefen Felsklüften des Berges. Es war den Menschen nicht feindlich gesinnt und tat auch
keinem etwas zuleide, es war jedoch sehr scheu und floh vor einem jeden. Begegnete ihm unverhofft ein Mensch, huschte er lautlos und flink wie ein Wiesel ins Gebüsch oder verschwand in einer Höhle oder in einem schmalen Schlief zwischen den Felsen. Nur des Nachts tat es seine Arbeit, und morgens konnte man dann die Tritte seiner Stiefelchen im feuchten Waldboden abgedrückt finden, ja selbst im Winter waren seine Spuren zu entdecken, auch wenn es noch so sehr geschneit und gestürmt hatte.

Einmal aber wurde das Manderl von einem Knaben belauscht, der im Wald auf dem Frauenstein Holz und Reisig sammelte. Es saß auf einem großen Stein, war ganz winzig, kaum größer als ein einjähriges Kind, doch alt und grau von Angesicht, es trug ein
graues Filzhüterl auf dem Kopf und hatte einen aschgrauen Kittel an. Es schaute
hinunter auf das Land zu seinen Füßen, auf die Dächer und Türme des Ortes, hinaus auf die Ebene und hinüber zu den fruchtbaren Feldern und Weingärten. Als würde es dies alles zum ersten Mal wahrnehmen, griff es sich vor Staunen an seinen grauen Kopf, schüttelte diesen bedächtig, legte sich die Finger auf den Mund, hob langsam seine
Hand himmelwärts, wies hin zu den Bergen ringsum und auf die Häuser im Tal und sprach schließlich düster und ernst die seltsamen Worte:

"Dreimal ist's Wasser und dreimal Stadt
und neunmal ist's Wald und Wiesen."

Es brummte noch etwas vor sich hin und schlich hierauf traurig fort. Und von da an hat es keiner mehr gesehen, obgleich schon viele hundert Jahre seitdem vergangen sind. Manche behaupten sogar, dass das Manderl damals die Gegend für immer verlassen
habe und weit, weit fortgezogen sei.
In Mödling hat man über diesen Spruch viel nachgedacht, und die Leute haben herumgerätselt, was er wohl bedeute. Ein Wirt ließ ihn deshalb auf eine große Tafel schreiben und dazu ein Bild von dem Bergmanderl malen, wie es auf einem Felsen hockt, grau in grau, starr und steif, als wäre es zu Stein geworden. Dieses Gemälde hängte er als Schild über der Türe seines Gasthauses auf, wo es angeblich noch lange zu sehen war.

 


Der Holzfäller und der Teufel


 


Auf den Höhen der Föhrenberge wurde eines Abends ein junger Holzfäller, der in diesen Wäldern arbeitete, von einem furchtbaren Unwetter überrascht. Wild brauste der Sturm durch die Wipfel der Bäume, rundum zuckten Blitze hernieder, zehn, zwanzig auf einmal, es donnerte und krachte, dass einem richtig das Trommelfell zu zerspringen drohte,
und eine wahre Sturzflut ergoss sich vom Himmel. Wind, Regen und Finsternis waren so arg, dass der Holzfäller sich plötzlich in seinem eigenen Wald nicht mehr auskannte.
Viele Stunden irrte er umher, fast die halbe Nacht tastete er sich mühsam von Baum zu Baum, von Gebüsch zu Gebüsch, aber er fand den Weg nicht mehr. Völlig verzweifelt
und am Ende seiner Kräfte rief er schließlich aus: "Ich wollte, der Teufel wäre hier und hilft mir aus meiner Not!" Kaum hatte er das ausgesprochen, da stand der Geschwänzte neben ihm und sprach: "Wenn du mir das erste Lebendgeborene versprichst, das du gezeugt, dann will ich dir aus dem Wald helfen!" Der Holzfäller war schon derart erschöpft, dass er ohne viel zu überlegen in die dargebotene Hand des Teufels einschlug.

Im nächsten Augenblick war der Teufel verschwunden, ein greller Blitz erleuchtete den ganzen Wald und zeigte dem Holzfäller den Weg, der nur wenige Schritte entfernt war. Mit diesem Blitz war auch das Gewitter zu Ende, der Regen hörte auf, die schwarzen Wolken verzogen sich, und der Mond kam strahlend hervor. Der Holzfäller folgte dem
Weg und war bald zu Hause, wo ihn seine junge Frau voll Angst und Sorge erwartete.
Als er ihr allerdings von seiner nächtlichen Begegnung mit dem Leibhaftigen erzählte, erschrak sie bis tief ins Herz und sagte: "Du musst auf der Stelle in den Wald zurückgehen und den Handel rückgängig machen!"; denn sie fühlte sich schwanger und bangte um ihr Kind.
Der Mann, auf solche Weise zum Teufel geschickt, machte sich gleich auf den Weg und stieg wieder zu den hohen Waldbergen hinauf. Da ballten sich erneut finstere Wolken zusammen, und ein noch viel schlimmeres Unwetter brach los. Es heulte und dröhnte,
wie wenn die Welt untergehen wollte. Von dieser Stunde an ward der Unglückliche von keinem mehr gesehen.
Als der Holzfäller bis zum Morgen noch nicht zurückgekommen war und auch nicht bis zum nächsten Mittag, zogen alle Nachbarn und Bekannten aus, um ihn zu suchen. Tagelang suchten sie die Wälder ab, doch sie fanden ihn nicht. Auf einem Stein entdeckten sie aber die deutlich eingedrückte Form mehrerer Finger einer Menschenhand, die vorher niemand bemerkt hatte.
Die Leute erzählen, dass sich der Holzfäller an diesen Stein zu klammern versuchte, als ihn der Teufel holte. Ganz in der Nähe soll auch der Abdruck eines Teufelshufes zu sehen sein. Den hohen, von mächtigen Felsen gebildeten Berggipfel, auf dem sich jenes grauenvolle
Geschehen zugetragen hatte, nennt man seit damals "Teufelstein." Rings um den Gipfel befindet sich jetzt ein Bannwald; in diesem wächst der seltene und geheimnisvolle "Drachenkopf."

 


Der Mostwurm


 


Eine altüberlieferte Sage aus Mödling vermeldet, dass sich einst in den Kellern der hiesigen Weinbauern oft und gerne ein scheußliches und überdies noch höchst gefährliches Monstrum aufgehalten habe, das man den Mostwurm nannte. Dieses Untier war an die sechs Ellen lang und soll wie eine übergroße Eidechse ausgesehen haben,
mit einem langen, dicken Schuppenschwanz, mit plumpen, warzigen Beinen und mit scharfen Krallen an den Zehen. Überdies hatte es große glotzige Augen, die im Dunkeln wie Irrlichter glühten, und anstelle eines gewöhnlichen Maules besaß es einen absonderlichen langen und dünnen Saugrüssel. Seine Haut war wie schrumpeliges Leder und stumpf braun und grau gefärbt, so dass das ganze Tier einem Haufen von zerknüllten, schon beschimmelten und halbverwesten alten Zeuglappen glich. Deshalb war das grässliche Vieh in den dunklen Winkeln und Ecken der Keller auch kaum zu erkennen, dort schlief es nämlich hinter den Fässern und Bottichen fast das ganze Jahr über. Witterte es aber im Herbst den frischen süßen Most in den Behältern, dann kroch es aus seinem Schlupfwinkel hervor, steckte es gierig seinen Rüssel in die Spundlöcher der Fässer, die um diese Zeit wegen der Gärung offen sein müssen, und soff das köstliche Getränk in solchen Mengen, dass sich sein Bauch davon wie ein Ballon aufblähte und schier zu platzen drohte.

Kam zufällig jemand in ein Kellergewölbe, wo gerade der Mostwurm hauste, und störte das Scheusal in seinem Dauerschlaf, dann glotzte das erwachte Tier den Eindringling zuerst einmal mit seinen Riesenaugen giftig an, fauchte ihm seinen stinkigen Atem ins Gesicht und streckte ihm seine Krallen drohend entgegen. Wenn er jetzt nicht augenblicklich diesen unheilvollen Ort verließ und nicht schnellstens nach oben ans Tageslicht flüchtete, war es um ihn geschehen. Denn im Handumdrehen schoss nun der Mostwurm heran, stürzte sich auf den Störenfried und warf ihn mit aller Gewalt zu Boden. Hierauf hockte sich das schreckliche Vieh so breit und schwer auf die Brust seines Opfers, dass dieses nicht mehr aufzustehen vermochte, und drückte es so lange nieder, bis dem armen Kerl die Luft ausging und das Blut in den Adern stockte, ihm schließlich völlig die Sinne schwanden und er in dem bösen Dunst, der unten am Kellerboden lagerte, jämmerlich ersticken musste. Man sagt, dass gar mancher Weinhauer auf diese grauenvolle Weise sein Leben verloren hatte.

Es soll im Jahre 1810 gewesen sein, da war ein alter Weinzierl, der bei einem Hauer in Diensten stand, unvorsichtig genug, im Herbst, als der Most gerade in den Fässern
reifte, in den Keller zu gehen, um nach den Rechten zu schauen, und wurde dort vom Mostwurm angefallen und überwältigt. Der Sohn des Weinhauers, der ihm zu Hilfe eilen wollte und sofort mutig in den Keller sprang, kam jedoch schon zu spät. Der alte Mann war bereits tot. Dem jungen Hauersohn selbst gelang es nur mit knapper Not, dem grässlichen Tier zu entkommen und den Leichnam zu bergen. Daraufhin versperrte man das ganze Gewölbe, damit es keiner mehr betreten und auch ein Opfer des Mostwurms werden konnte.
Als dann im Frühjahr der Keller wieder geöffnet wurde und man es wagen durfte, dieses ohne Gefahr zu betreten, fand man, dass fast fünfzig Eimer vom besten Most die Beute des Mostwurms geworden waren, ebenso hatte das elende Luder all die sorgsam gehüteten Weinvorräte verdorben, was den Hauer natürlich am meisten verdross, und auch sonst viel Schaden angerichtet. Nun wurde das Kellergewölbe entrümpelt, die beschädigten und unbrauchbar gewordenen Fässer und Butten sowie alles andere muffige Mistzeug ins Feuer getan und verbrannt. Darunter muss wohl auch der
Mostwurm gewesen sein, da man ihn seit selbiger Zeit nimmer gesehen hat.

 


Die weiße Frau


 


Am Ende der Klausen stehen auf steilen Felswänden die Überreste der alten Burg
Mödling und blicken mit öden Fensterhöhlen traurig ins weite Land hinaus.
In dieser verfallenen Ruine geht nun schon seit hundert oder mehr Jahren eine geheimnisvolle weiße Frau um. Sie tut aber niemandem etwas zuleide, neigt ihr Haupt
vor jedem, dem sie begegnet, spricht bisweilen die Leute sogar an und machte ihnen Geschenke; besonders zu den Sonntagskindern ist sie freundlich und hold und erweist ihnen viel Liebes.
In dem morschen Gemäuer kann man manchmal auch einen schwarzen Hund sehen,
groß wie ein Kalb und mit rotglühenden Augen, der auf einem Kohlenhaufen liegt,
und neben ihm ein Männchen mit einem ungeheuren Kopf, einem langen Bart und einem Höcker.

 

Die drei schwarzen Hunde
Nach Robert Eder


Auf dem sogenannten Dreistundenweg, der von der Ruine Mödling hinüber zum Kleinen Anninger und zum Husarentempel in der Brühl führt, ist es gar nicht geheuer. Denn oft erscheinen dort mitten am Weg plötzlich drei grausige Hunde, die ausschauen, als wären sie
in der Hölle zu Hause. Sie sind fast so groß wie Ochsen und viel schwärzer als die finsterste Nacht; in ihrem tintenschwarzen gespaltenen Pfoten leuchten gelbe messerlange Krallen auf, und ihre blutunterlaufenen Augen glühen wie Rubine in den löwenhaften Häuptern. Gespenstig ruhig und stumm, ohne auch nur den geringsten Laut von sich zu geben, mit gesträubtem Fell und mit offenem Rachen nebeneinander trottend verfolgen sie jeden Wanderer, den sie erblicken, fletschen dabei drohend zwischen den triefenden Lefzen ihre spitzen scharfen Zähne und zeigen geifernd ihre scheußlichen roten Zungen, die ihnen bis hinunter zum Boden aus dem
Maul hängen.
Versucht man ihnen davonzueilen, beginnen auch sie zu laufen und bleiben einem dicht auf den Fersen, ja sie kommen sogar immer näher und näher, bis einem bald ihr heißer Atem in den Rücken schlägt und der kalte Schweiß in Strömen herunterrinnt. Bleibt man dagegen stehen, tun sie es ebenfalls und warten und lauern offenbar darauf, ihrem Opfer endlich die Kehle durchbeißen zu können.
Um sich von diesem schrecklichen Spuk zu befreien, muss man nur mutig genug sein und ganz einfach den Weg verlassen und waldeinwärts gehen, so weit und so schnell man nur kann, und sofort verschwinden die drei bösen Hunde, genau so plötzlich und lautlos, wie sie gekommen waren.

Trotzdem sollte jeder beten, dass ihm der liebe Gott niemals diese Ungeheuer auf die Spur hetzen möge!

 


Der Nix im Mödlinger Teich


 


Vor langer, langer Zeit, derer sich selbst die ältesten Leute nicht mehr erinnern, hauste im Mödlinger Teich ebenfalls ein tückischer Wassermann. Das war ein plumpes und gar hässliches Wesen, völlig von Algen und Schilf überwuchert. In seinem struppigen und verfilzten Haar hatten sich überdies Schnecken und Kaulquappen eingenistet und sich's darin recht gemütlich gemacht. Fast immer trug er ein grünes Kleid und hohe Röhrenstiefel. Tief unten am Grunde des Wassers hatte er seine Gemächer, oft genug entstieg er jedoch seiner kühlen Behausung, watete durch das sumpfige Ufer heraus
ans Land, spazierte mitunter am helllichten Tag über Wiesen oder legte sich ins Gras,
um ein wenig zu schlafen. Meist saß er aber am Rand des Teiches auf einem mit Moos bewachsenen Stein und ließ sich die Sonne auf den nassen Rücken scheinen. Stundenlang saß er auf diesen Stein, ohne sich zu rühren, doch wenn sich jemand in seiner Nähe zeigte, zog er flugs einen riesengroßen Kamm aus der Rocktasche und strählte sich damit seine langen Haare. Auf diese Weise lockte er so manche Jungfer an sich heran. Kam freilich eine in seine Reichweite, dann war sie rettungslos verloren.

Mit den Kindern tat er überaus lieb, er lächelte sie an, winkte ihnen zu, holte ihnen allerlei bunte Bänder und glitzernde Ringlein aus dem Wasser und legte sie ihnen ans Ufer, oder er zeigte ihnen ganz dicht am Teichrand seltene Blumen, damit ihre
Händchen danach griffen. Aber wehe dem Kind, dass einer solchen Lockung nicht widerstehen konnte und wirklich danach langte, es wurde von dem Ungeheuer wie mit Krebsscheren gepackt und in die Tiefe gezogen, wo es für immer bei ihm bleiben musste. Wie sehr es auch klagen und jammern mochte, auf die Erde ließ er es nimmer zurück. Darum warnte man die Kleinen stets auf das eindringlichste, ja nicht beim Teich zu spielen oder irgend etwas von dort zu holen, und sei es noch so schön, denn hinter dem Schilf lauere der Wassermann.
Es war an einem schönen, warmen Sommertag, und der Wassermann saß wieder einmal auf seinem Stein und hielt Ausschau nach Menschenkindern, wie es so seine Art war.
Da trug es sich zu, dass ein allerliebstes, niedliches Ding von einem Mädchen vergnügt auf der Wiese herumtollte, Schmetterlingen nachjagte, bald dahin, bald dorthin lief und rote, blaue und gelbe Blumen pflückte. Kaum hatte der Nix die Kleine erspäht, rief er sie her zu sich, sprach sie freundlich an, plauderte mit ihr über dieses und jenes und sagte schließlich: "Ei, liebes Mädchen, komm doch mit mir, ich will dir noch viel hübschere Blumen für deinen Strauß geben!" Zu Tode erschrocken wich das Mädchen zurück und entging damit in letzter Sekunde dem sicheren Verderben. Der Wassermann hatte nämlich nicht mehr die Kraft, das Mädchen festzuhalten, denn schon zu lange war er in der prallen Sonne gewesen und war bereits ganz ausgetrocknet. Voll Wut und Zorn sprang er in den Teich hinein und tauchte mit einem wilden Aufschrei unter.

 


Der Teufel beim Schneider


 


In Mödling befand sich einst ein Haus, das im Volksmund den Namen führte "Wo der Teufel aus der Luke schaut."
Dieses Haus soll einmal einem Schneidermeister gehört haben, der mit dem Teufel einen Pakt geschlossen hatte, wobei sich der Satan verpflichtete, dem Schneider zwanzig Jahre hindurch ein sorgenfreies Leben zu sichern, dafür würde er nach Ablauf dieser Frist des Schneiders Seele bekommen.
Als nun die vereinbarte Zeit um war und der Teufel den Schneider endlich holen wollte, da stellte sich ihm beherzt ein eilends und zu diesem Zwecke herbeigerufener Kirchenmann mit einem Kruzifix entgegen. Zähneknirschend und den Bauch voller Wut floh der Böse vor dem heiligen Zeichen bis zum Dachboden hinauf, um dort vielleicht durch eine Luke zu entkommen. Aber im Rahmen des winzigen Dachfensters war ein aus Hölzern gefertigtes Fensterkreuz eingesetzt, und das machte dem Teuxel den Durchschlupf unmöglich, und er blieb in der Luke stecken.
Als ihn aber gar noch ein drittes Kreuz bedrohte, nämlich das, welches sich durch eine geöffnete Zuschneideschere  ergab, mit der ein gewitzter Lehrjunge dem in solch eine fatale Lage gekommenen Beelzebub den kläglich herabhängenden Schwanz abzwicken wollte, da flehte der Teufel ganz jämmerlich um Gnade und schwor hoch und teuer,
auf die Erfüllung des Vertrages zu verzichten, wenn man ihn nur in Dreiteufelsnamen vom Anblick der vielen Kreuze befreie.
"Erst wenn du dich verbürgst, den Armen und Ärmsten hier im Orte ihre Lumpen zu flicken, darfst du in die Hölle zurück!" rief der Schneider mit lauter Stimme dem Verängstigten zu, außerdem fuchtelte der Lehrbub bedenklich mit der großen Schere.
Auf diese Weise in die Enge getrieben, musste der Teufel schließlich versprechen, alles das zu tun, was man von ihm verlangte. Und als er seine Worte auch noch eidlich beschwor, entließ man ihn zu guter Letzt aus seiner Falle, drückte ihm Nadel und Zwirn
in die Hand und rief die Armen und Bettelleute aus der näheren und weiteren Umgebung herbei, denen der Teufel nun kostenlos ihre abgenutzten und zerschlissenen Kleider flicken und stopfen musste.
Weil es aber damals so viele arme Leute gab, hatte der Teufel alle Hände voll zu tun,
und weil diese schäbige Arbeit auf die Dauer selbst dem Teufel ganz einfach zuwider wurde, stahl er sich eines Tages in einem unbeobachteten Augenblick aus dem Hause fort und ward nie mehr gesehen.

Diese Sage erinnert mich frappant an das Märchen von Ludwig Bechstein 1801-1860.
Er nannte es "Die scharfe Schere". Zum Nachlesen dieses Märchens verwende den Link.