zurück
Die Gurre Gedichte (Lieder)
Jens Peter Jacobsen
Die Gedichte sind der Novelle "En cactus springer du" des dänischen Dichters
Jens Peter Jacobsen (1847–1885) in der deutschen Übersetzung von Robert
Franz Arnold (1872-1938) entnommen. Zu Lieder wurden sie erst durch
Arnold Schönberg der sie vertonte.
Die Dichtung geht auf eine große Legende aus dem mittelalterlichen Dänemark
zurück:
Die Liebe König Waldemars des Großen (1131–1182), -auch Volmer genannt - zu
seiner Mätresse Tove. (Tove ist im Altnorwegischen Tofa (Taube) Bei
Jacobsen heißt sie Tovelille, (kleines Täubchen)."Gurre" ist das
onomatopoetische Wort für den Ruf der Taube.
Die Abwesenheit Waldemars nutzt dessen eifersüchtige Gemahlin Helwig, ihren
eigenen Geliebten Folkward zum Mord an Tove aufzustacheln. Dieser schließt
sein Opfer in dessen Badehaus ein und lässt es im heißen Dampf sterben.
Ursprünglich hält Helwig eine Fackel, die bei Jacobsen den "rachbegierigen
Sinn" der Königin symbolisiert. So folgt sie Folkward, der die Tür von Toves
Bad versperrt. Waldemar rächt sich an Toves Mörder in einer Weise, die
ebenso grausam wie die
Verbrühung seiner Geliebten ist: Folkward wird in ein mit Nägeln gespicktes
Fass gesteckt und darin umhergerollt. Diese dramatische Gestaltung hat
Jacobsen selbst erfunden – wie auch die Figur des Klaus, den er zum Zwecke
einer gewissen heiteren Entspannung einführte.
Die Gedichte beginnen im Zwielicht eines Waldes am Rande des Meeres. Sie
enden nach einer Nacht der Liebe und des Schreckens bei Sonnenaufgang.
Die
Gurre Gedichte bestehen aus 3 Teilen:
Der I. Teil handelt von der heimlichen Liebe des dänischen Königs
Valdemar zu dem schönen Mädchen Tovelille (kleine Taube) auf Schloss Gurre
am Esrom-See.
Zum Ende des I. Teils verkündet die Stimme der Waldtaube den Tod
Toves durch die rasend eifersüchtige Königin Helwig.
Der äußerst kurz gehaltene II. Teil enthält eine wilde Gottes-Anklage
Waldemars, in der er verzweifelt hadert über den Verlust der Geliebten.
Unverhohlen verurteilt er Gott wegen den allzu menschlichen Zügen eines
tyrannischen Herrschers.
Die im III. Teil geschilderte "Wilde Jagd", nach der König Waldemar
und seine Mannen dazu verdammt sind, als unerlöste Tote rastlos durch die
Nacht zu reiten, entstammt einem eigenen Sagenkreis, Jacobsen verknüpfte sie
aber mit den Gurre Gedichten.
Mit Einführung der Figuren des abergläubischen Bauern und des
Klaus-Narr erfährt die Geschichte, insbesondere bezüglich allzu naiver,
irdisch-menschlicher Vorstellungen von Gott, Himmel, Sünde, Strafe und
Erlösung eine ironische Brechung, und trägt zu einer gewissen heiteren
Entspannung bei.
Der abschließende Abschnitt "Des Sommerwindes wilde Jagd" beschreibt
die im Tages- und Jahresrhythmus stets wiederkehrende Auferstehung der
Natur. In der anschaulichen Schilderung der Pflanzen, der Tiere, des Windes
und der
aufgehenden Sonne zeigt sich, dass Jacobsen über eine exakte
Beobachtungsgabe verfügte. Das brachte sein Studium zum Botaniker und
Naturwissenschaftlers mit sich.
Gurrelieder
Der deutsche Text ist von
Robert Franz Arnold (1872-1938)
Erster
Teil
Waldemar:
Nun dämpft die Dämm'rung
jeden Ton von Meer und Land,
Die fliegenden Wolken
lagerten sich wohlig
am Himmelsrand.
Lautloser Friede schloß dem Forst
die luftigen Pforten zu,
und des Meeres klare Wogen
wiegten sich selber zur Ruh.
Im Westen wirft die Sonne
von sich die Purpurtracht
und träumt im Flutenbette
des nächsten Tages Pracht.
Nun regt sich nicht
das kleinste Laub
in des Waldes prangendem Haus;
nun tönt auch nicht
der leiseste Klang:
Ruh' aus, mein Sinn, ruh' aus!
Und jede Macht ist versunken
in der eignen Träume Schoß,
und es treibt mich zu mir
selbst zurück,
stillfriedlich, sorgenlos.
Tove:
Oh, wenn des Mondes Strahlen
leise gleiten,
und Friede sich und Ruh
durchs All verbreiten,
nicht Wasser dünkt mich dann
des Meeres Raum,
und jener Wald scheint nicht
Gebüsch und Baum.
Das sind nicht Wolken,
die den Himmel schmücken,
und Tal und Hügel
nicht der Erde Rücken,
und Form und Farbenspiel,
nur eitle Schäume,
und alles Abglanz nur
der Gottesträume.
Waldemar:
Roß! Mein Roß!
Was schleichst du so träg!
Nein, ich seh's, es flieht der Weg
hurtig unter der Hufe Tritten.
Aber noch schneller mußt du eilen,
bist noch in des Waldes Mitten,
und ich wähnte, ohn' Verweilen
sprengt' ich gleich in Gurre ein.
Nun weicht der Wald,
schon seh' ich dort die Burg,
die Tove mir umschließt,
Indes im Rücken uns der Forst
zu finstrem Wall zusammenfließt;
aber noch weiter jage du zu!
Sieh! Des Waldes Schatten dehnen
über Flur sich weit und Moor!
Eh' sie Gurres Grund erreichen,
muß ich stehn vor Toves Tor.
Eh' der Laut, der jetzo klinget,
ruht, um nimmermehr zu tönen,
muß dein flinker Hufschlag, Renner,
über Gurres Brücke dröhnen;
eh' das welke Blatt -
dort schwebt es -,
mag herab zum Bache fallen,
muß in Gurres Hof dein Wiehern
fröhlich widerhallen!
Der Schatten dehnt sich,
der Ton verklingt,
nun falle, Blatt, magst untergehn:
Volmer hat Tove gesehn!
Tove:
Sterne jubeln, das Meer,
es leuchtet, preßt an die Küste
sein pochendes Herz,
Blätter, sie murmeln,
es zittert ihr Tauschmuck,
Seewind umfängt mich
in mutigem Scherz,
Wetterhahn singt,
und die Turmzinnen nicken,
Burschen stolzieren
mit flammenden Blicken,
wogende Brust voll üppigen Lebens
fesseln die blühenden
Dirnen vergebens,
Rosen, sie mühn sich,
zu spähn in die Ferne,
Fackeln, sie lodern
und leuchten so gerne,
Wald erschließt
seinen Bann zur Stell',
horch, in der Stadt nun
Hundegebell!
Und die steigenden Wogen
der Treppe tragen zum Hafen
den fürstlichen Held,
bis er auf alleroberster Staffel
mir in die offenen Arme fällt.
Waldemar:
So tanzen die Engel
vor Gottes Thron nicht,
wie die Welt nun tanzt vor mir.
So lieblich klingt
ihrer Harfen Ton nicht,
wie Waldemars Seele dir.
Aber stolzer auch saß
neben Gott nicht Christ
nach dem harten Erlösungsstreite,
als Waldemar stolz nun
und königlich ist
an Toveliles Seite.
Nicht sehnlicher möchten
die Seelen gewinnen
den Weg zu der Seligen Bund,
als ich deinen Kuß,
da ich Gurres Zinnen
sah leuchten vom Öresund.
Und ich tausch' auch nicht
ihren Mauerwall
und den Schatz,
den treu sie bewahren,
für Himmelreichs Glanz
und betäubenden Schall
und alle der heiligen Scharen!
Tove:
Nun sag ich dir zum ersten Mal:
"König Volmer, ich liebe dich!"
Nun küß' ich dich zum erstenmal,
und schlinge den Arm um dich.
Und sprichst du,
ich hättes schon früher gesagt
und je meinen Kuß dir geschenkt,
so sprech' ich: "Der König ist ein Narr,
der flüchtigen Tandes gedenkt."
Und sagst du: "Wohl bin ich solch ein Narr,"
so sprech ich: "Der König hat recht;"
doch sagst du: "Nein, ich bin es nicht,"
so sprech ich: "Der König ist schlecht."
Denn all meine Rosen küßt' ich zu Tod,
dieweil ich deiner gedacht.
Waldemar:
Es ist Mitternachtszeit,
und unsel'ge Geschlechter
stehn auf aus vergess'nen, eingesunknen Gräbern,
und sie blicken mit Sehnsucht
nach den Kerzen der Burg
und der Hütte Licht.
Und der Wind schüttelt spottend
nieder auf sie Harfenschlag
und Becherklang und Liebeslieder.
Und sie schwinden und seufzen:
"Unsre Zeit ist um."
Mein Haupt wiegt sich
auf lebenden Wogen,
meine Hand vernimmt
eines Herzens Schlag,
lebenschwellend
strömt auf mich nieder
glühender Küße Purpurregen,
und meine Lippe jubelt:
"Jetzt ist's meine Zeit!"
Aber die Zeit flieht,
Und umgehn werd' ich
zur Mitternachtsstunde
dereinst als tot,
werd' eng um mich
das Leichenlaken ziehn
wider die kalten Winde
und weiter mich schleichen
im späten Mondlicht
und schmerzgebunden
mit schwerem Grabkreuz
deinen lieben Namen
in die Erde ritzen
und sinken und seufzen:
"Uns're Zeit ist um!"
Tove:
Du sendest mir einen Liebesblick
und senkst das Auge,
doch das Blick preßt
deine Hand in meine,
und der Druck erstirbt;
aber als liebeweckenden Kuß
legst du meinen Händedruck mir
auf die Lippen
und du kannst noch seufzen
um des Todes Willen,
wenn ein Blick auflodern kann
wie ein flammender Kuß?
Die leuchtenden Sterne
am Himmel droben
bleichen wohl, wenn's graut,
doch lodern sie neu jede
Mitternachtzeit
in ewiger Pracht.
So kurz ist der Tod,
wie ruhiger Schlummer
von Dämm'rung zu Dämmrung.
Und wenn du erwachst,
bei dir auf dem Lager
in neuer Schönheit
siehst du strahlen
die junge Braut.
So laß uns die goldene
Schale leeren
ihm, dem mächtig verschönenden Tod.
Denn wir gehn zu Grab
wie ein Lächeln,
ersterbend im seligen Kuß.
Waldemar:
Du wunderliche Tove!
So reich durch dich nun bin ich,
daß nicht einmal mehr
ein Wunsch mir eigen;
so leicht meine Brust,
mein Denken so klar,
ein wacher Frieden
über meiner Seele.
Es ist so still in mir,
so seltsam stille.
Auf der Lippe weilt
brückeschlagend das Wort,
doch sinkt es wieder zur Ruh'.
Denn mir ist's, als schlüg'
in meiner Brust
deines Herzens Schlag,
und als höbe mein Atemschlag,
Tove, deinen Busen.
Und uns're Gedanken seh ich
entstehn und zusammengleiten
wie Wolken, die sich begegnen,
und vereint wiegen sie sich
in wechselnden Formen.
Und meine Seele ist still,
ich seh in dein Aug und schweige,
du wunderliche Tove.
Stimme der Waldtaube:
Tauben von Gurre! Sorge quält mich,
vom Weg über die Insel her!
Kommet! Lauschet!
Tot ist Tove! Nacht auf ihrem Auge,
das der Tag des Königs war!
Still ist ihr Herz,
doch des Königs Herz schlägt wild,
tot und doch wild!
Seltsam gleichend einem Boot
auf der Woge,
wenn der, zu dess' Empfang
die Planken huldigend
sich gekrümmt,
des Schiffes Steurer tot liegt,
verstrickt in der Tiefe Tang.
Keiner bringt ihnen Botschaft,
unwegsam der Weg.
Wie zwei Ströme
waren ihre Gedanken,
Ströme gleitend Seit' an Seite.
Wo strömen nun Toves Gedanken?
Die des Königs winden sich
seltsam dahin,
suchen nach denen Toves,
finden sie nicht.
Weit flog ich, Klage sucht' ich,
fand gar viel!
Den Sarg sah ich
auf Königs Schultern,
Henning stürzt' ihn;
finster war die Nacht,
eine einzige Fackel
brannte am Weg;
die Königin hielt sie,
hoch auf dem Söller,
rachebegierigen Sinns.
Tränen,
die sie nicht weinen wollte,
funkelten im Auge.
Weit flog ich, Klage sucht' ich,
fand gar viel!
Den König sah ich,
mit dem Sarge fuhr er,
im Bauernwams.
Sein Streitroß,
das oft zum Sieg ihn getragen,
zog den Sarg.
Wild starrte des Königs Auge,
suchte nach einem Blick,
seltsam lauschte des Königs Herz
nach einem Wort.
Henning sprach zum König,
aber noch immer suchte er
Wort und Blick.
Der König öffnet Toves Sarg,
starrt und lauscht
mit bebenden Lippen,
Tove ist stumm!
Weit flog ich, Klage sucht' ich,
fand gar viel!
Wollt' ein Mönch am Seile ziehn,
Abendsegen läuten;
doch er sah den Wagenlenker
und vernahm die Trauerbotschaft:
Sonne sank, indes die Glocke
Grabgeläute tönte.
Weit flog ich, Klage sucht' ich
und den Tod!
Helwigs Falke war's, der grausam
Gurres Taube zerriß.
Teil zwei
Waldemar:
Herrgott, weißt du, was du tatest,
als klein Tove mir verstarb?
Triebst mich aus der letzten Freistatt,
die ich meinem Glück erwarb!
Herr, du solltest wohl erröten:
Bettlers einz'ges Lamm zu töten!
Herrgott, ich bin auch ein Herrscher,
und es ist mein Herrscherglauben:
Meinem Untertanen darf ich nie
die letzte Leuchte rauben.
Falsche Wege schlägst du ein:
Das heißt wohl Tyrann,
nicht Herrscher sein!
Herrgott, deine Engelscharen
singen stets nur deinen Preis,
doch dir wäre mehr vonnöten
einer, der zu tadeln weiß.
Und wer mag solches wagen?
Laß mich, Herr, die Kappe
deines Hofnarrn tragen!
Teil drei
Waldemar:
Erwacht, König Waldemars
Mannen wert!
Schnallt an die Lende
das rostige Schwert,
holt aus der Kirche
verstaubte Schilde,
gräulich bemalt mit wüstem Gebilde.
Weckt eurer Roße modernde Leichen,
schmückt sie mit Gold,
und spornt ihre Weichen:
Nach Gurrestadt seid ihr entboten,
heute ist Ausfahrt der Toten!
Bauer:
Deckel des Sarges
klappert und klappt,
Schwer kommt's her
durch die Nacht getrabt.
Rasen nieder vom Hügel rollt,
über den Grüften
klingt's hell wie Gold!
Klirren und Rasseln
durch's Rüsthaus geht,
Werfen und Rücken mit altem Gerät,
Steinegepolter am Kirchhofrain,
Sperber sausen
vom Turm und schrein,
auf und zu fliegt's Kirchentor!
Waldemars Mannen:
Holla!
Bauer:
Da fährt's vorbei!
Rasch die Decke übers Ohr!
Ich schlage drei heilige
Kreuze geschwind
für Leut' und Haus,
für Roß und Rind;
dreimal nenn ich Christi Namen,
so bleibt bewahrt der Felder Samen.
Die Glieder noch bekreuz ich klug,
wo der Herr seine heiligen
Wunden trug,
so bin ich geschützt
vor der nächtlichen Mahr,
vor Elfenschuß und Trolls Gefahr.
Zuletzt vor die Tür
noch Stahl und Stein,
so kann mir nichts Böses
zur Tür herein.
Waldemars Mannen:
Gegrüßt, o König, an Gurre-Seestrand!
Nun jagen wir über das Inselland!
Holla!
Vom stranglosen Bogen Pfeile zu senden,
mit hohlen Augen und Knochenhänden,
zu treffen des Hirsches Schattengebild,
daß Wiesentau aus der Wunde quillt.
Holla! Der Wallstatt Raben Geleit uns gaben,
über Buchenkronen die Roße traben,
Holla!
So jagen wir nach gemeiner Sag'
eine jede Nacht bis zum jüngsten Tag.
Holla! Hussa Hund! Hussa Pferd!
Nur kurze Zeit das Jagen währt!
Hier ist das Schloß, wie einst vor Zeiten!
Holla!
Lokes Hafer gebt den Mähren,
wir wollen vom alten Ruhme zehren.
Waldemar:
Mit Toves Stimme flüstert der Wald,
mit Toves Augen schaut der See,
mit Toves Lächeln leuchten die Sterne,
die Wolke schwillt wie des Busens Schnee.
Es jagen die Sinne, sie zu fassen,
Gedanken kämpfen nach ihrem Bilde.
Aber Tove ist hier und Tove ist da,
Tove ist fern und Tove ist nah.
Tove, bist du's, mit Zaubermacht
gefesselt an Sees- und Waldespracht?
Das tote Herz, es schwillt und dehnt sich,
Tove, Tove,
Waldemar sehnt sich nach dir!
Klaus-Narr:
"Ein seltsamer Vogel ist so'n Aal,
im Wasser lebt er meist,
Kommt doch bei Mondschein
dann und wann
ans Uferland gereist."
Das sang ich oft
meines Herren Gästen,
nun aber paßt's auf mich selber
am besten.
Ich halte jetzt kein Haus
und lebe äußerst schlicht
und lud auch niemand ein
und praßt' und lärmte nicht,
und dennoch zehrt an mir
manch unverschämter Wicht,
drum kann ich auch nichts bieten,
ob ich will oder nicht,
doch - dem schenk ich
meine nächtliche Ruh,
der mir den Grund kann weisen,
warum ich jede Mitternacht
den Tümpel muß umkreisen.
Daß Palle Glob und Erik Paa
es auch tun, das versteh ich so:
Sie gehörten nie zu den Frommen;
jetzt würfeln sie,
wiewohl zu Pferd,
um den kühlsten Ort,
weit weg vom Herd,
wenn sie zur Hölle kommen.
Und der König,
der von Sinnen stets,
sobald die Eulen klagen,
und stets nach einem Mädchen ruft,
das tot seit Jahr und Tagen,
auch dieser hat's verdient
und muß von Rechtes wegen jagen.
Denn er war immer höchst brutal,
und Vorsicht galt es allemal
und off'nes Auge für Gefahr,
da er ja selber Hofnarr war
bei jener großen Herrschaft
überm Monde.
Ich, der glaubte, daß im Grabe
man vollkomm'ne Ruhe habe,
daß der Geist beim Staube bleibe,
friedlich dort sein Wesen treibe,
still sich sammle für das große Hoffest,
wo, wir Bruder Knut sagt,
ertönen die Posaunen,
wo wir Guten wohlgemut
Sünder speisen wie Kapaunen -
ach, daß ich im Ritte rase,
gegen den Schwanz gedreht die Nase,
sterbensmüd im wilden Lauf,
wär's zu spät nicht,
ich hinge mich auf.
Doch o wie süß
soll's schmecken zuletzt,
werd ich dann doch in den Himmel versetzt!
Zwar ist mein Sündenregister groß,
allein vom meisten schwatz ich mich los!
Wer gab der nackten Wahrheit Kleider?
Wer war dafür geprügelt leider?
Ja, wenn es noch Gerechtigkeit gibt,
Dann muß ich eingehn im Himmels Gnaden...
Na, und dann mag Gott sich selber gnaden.
Waldemar:
Du strenger Richter droben,
du lachst meiner Schmerzen,
doch dereinst,
beim Auferstehn des Gebeins
nimm es dir wohl zu Herzen;
ich und Tove, wir sind eins.
So zerreiß' auch unsre Seelen nie,
zur Hölle mich, zum Himmel sie,
denn sonst gewinn' ich Macht,
zertrümmre deiner Engel Wacht
und sprenge mit meiner wilden Jagd
ins Himmelreich ein.
Waldemars Mannen:
Der Hahn erhebt den Kopf zur Kraht,
hat den Tag schon im Schnabel,
und von unsern Schwertern trieft
rostgerötet der Morgentau.
Die Zeit ist um!
Mit offnem Mund ruft das Grab,
und die Erde saugt
das lichtscheue Rätsel ein.
Versinket! Versinket!
Das Leben kommt
mit Macht und Glanz,
mit Taten und pochenden Herzen,
und wir sind des Todes,
des Schmerzes und des Todes,
Ins Grab! Ins Grab!
Zur träumeschwangern Ruh'
Oh, könnten in Frieden
wir schlafen!
Des Sommerwindes wilde Jagd
Sprecher:
Herr Gänsefuß, Frau Gänsekraut,
nun duckt euch nur geschwind,
denn des sommerlichen Windes wilde Jagd beginnt.
Die Mücken fliegen ängstlich
aus dem schilfdurchwachs'nen Hain,
In den See grub der Wind seine Silberspuren ein.
Viel schlimmer kommt es, als ihr euch nur je gedacht;
Hu! wie's schaurig in den Buchblättern lacht!
Das ist Sankt Johanniswurm mit der Feuerzunge rot,
und der schwere Wiesennebel, ein Schatten bleich und tot!
Welch Wogen und Schwingen!
Welch Ringen und Singen!
In die Ähren schlägt der Wind in leidigem Sinne.
Daß das Kornfeld tönend bebt.
Mit den langen Beinen fiedelt die Spinne,
und es reißt, was sie mühsam gewebt.
Tönend rieselt der Tau zu Tal,
Sterne schießen und schwinden zumal;
flüchtend durchraschelt der Falter die Hecken,
springen die Frösche nach feuchten Verstecken.
Still! Was mag der Wind nur wollen?
Wenn das welke Laub er wendet,
sucht er, was zu früh geendet;
Frühlings, blauweiße Blütensäume,
der Erde flüchtige Sommerträume -
längst sind sie Staub!
Aber hinauf, über die Bäume
schwingt er sich nun in lichtere Räume,
denn dort oben, wie Traum so fein
meint er, müßten die Blüten sein!
Und mit seltsam Tönen
in ihres Laubes Kronen
grüßt er wieder
die schlanken Schönen.
Sieh! nun ist auch das vorbei.
Auf luftigem Steige wirbelter frei
zum blanken Spiegel des Sees,
und dort in der Wellen unendlichem Tanz,
in bleicher Sterne Widerglanz
wiegt er sich friedlich ein.
Wie stille wards zur Stell!
Ach, war das licht und hell!
O schwing dich aus dem Blumenkelch, Marienkäferlein,
und bitte deine schöne Frau um Leben und Sonnenschein.
Schon tanzen die Wogen am Klippenecke,
schon schleicht im Grase die bunte Schnecke,
nun regt sich Waldes Vogelschar,
Tau schüttelt die Blume vom lockigen Haar
und späht nach der Sonne aus.
Erwacht, erwacht, ihr Blumen zur Wonne.
Gemischter Chor:
Seht die Sonne farbenfroh am Himmelssaum
östlich grüßt ihr Morgentraum.
Lächelnd kommt sie aufgestiegen
Aus der Fluten der Nacht,
läßt von lichter Stirne fliegen
Strahlenlockenpracht.